Montag, 4. Mai 2015

Von Kinderarmut und Super-Müttern

So sind wir also die kinderärmsten Europäer.
Man möchte uns offenbar Dritt- und Viertkinder schmackhaft machen. Außer einem trockenen Husten entlockt mir das ehrlich gesagt nichts. Meine (vierköpfige) Familie gehört nicht zu den Gutverdienenden dieses Landes. Ich würde das zwar gerne ändern, sträube mich aber (noch) gegen eine Vollzeit-Tätigkeit an der Kasse des Supermarktes auf der anderen Straßenseite. Hätte ich mir die 8.000 Euro Bafög-Rückzahlung auch sparen können, so mein (hochtrabender) Gedanke dahinter. In einen „akademischen/kreativen“ Beruf einsteigen kann man aber offenbar nur jung, mit ganz viel Zeit und sehr niedrigen Ansprüchen. Auch darf das Studium noch nicht abgeschlossen sein, sonst kann man nicht mehr als „freiwilliger“ Praktikant eingestellt werden (Herzlichen Dank an dieser Stelle an das neue Mindestlohn-Gesetz). Auf eine kreative Anstellung bewerben kann ich mich jedoch nur mit „mindestens drei Jahren Berufserfahrung in einer aufstrebenden/namhaften Agentur“. Da komme ich, wie gesagt, nur dran, wenn ich bereit bin, 12 bis 14 Stunden täglich für 1.600 Euro Netto zu arbeiten. Da haben dann wiederum meine Kinder was dagegen und so beißt sich der Hund selbst in den Schwanz, die Maus keinen Faden ab und Huhn und Ei streiten sich ums „Erster-Sein“.
Gleichzeitig geht ein Raunen durch die Menge, Hashtags wie #regrettingmotherhood, Beiträge zur perfekten work-life-Balance der Dänen, neue Definitionen von Feminismus und schicke Studien zu gestressten und innerlich zerrissenen Müttern geben sich die Klinke in die Hand.
Mütter, macht euch frei von den selbst auferlegten, viel zu höhen Ansprüchen. Und dann? Macht mich das dann glücklicher? Was, wenn für mich ein erfülltes Berufsleben zum Glücklichsein dazu gehört? Was, wenn ich nicht nur Mutter sein will? Das geht. Sagt man. Liest man. Hört man. Erlebt man leider nicht so häufig. Zwei berufstätige, erfolgreiche Eltern(wobei ich erfolgreich hier nicht am Salär, sondern an der Erfüllung messe) sind und bleiben die Ausnahme. Zumindest in der Kreativbranche.
Und plötzlich klingen die einleitenden Worte meines Ethnologie-Professors in der Einführungsveranstaltung im ersten Semesters in meinem Kopf nach: „Herzlich Wollkommen an der FU-Berlin. Sie studieren in die Arbeitslosigkeit hinein.“
Hätte ich mal auf ihn gehört und wäre gegangen. Wär ich heute vielleicht um 8.000 Euro reicher.
Schmackhaft haben mir die ernüchternden Erfahrungen auf dem Arbeitsmarkt mehr Kinder jedenfalls nicht gemacht. Im Gegenteil. Sie haben mich gelehrt, dass es vielleicht keinen richtigen Zeitpunkt gibt, Kinder in die Welt zu setzen, aber ganz offenbar einen falschen.

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